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Die Produktion im Griff

Digitalisierung, Durchgängigkeit oder das papierlose Büro sind viel gehörte Begriffe, wenn es um das Thema Produktionsunterlagen geht. In der Praxis wird zwar bereits in vielen Bereichen vernetzt und digital gearbeitet, bis zur Datendurchgängigkeit benötigt es jedoch noch etwas Zeit.

Teilbereiche haben noch Potenzial

Über den ganzen Fertigungsprozess gesehen gibt es Bereiche, die bereits ein sehr hohes Mass an Digitalisierung aufweisen und andere, wie die Endfertigung oder Montage, welche noch viel Potenzial haben. Die meisten Software-Hersteller stellen in ihren Produkten bereits verschiedene Systeme bereit, um die Abläufe digital zu gestalten. Die Anwender haben heute also bereits die Wahl und können sich für digitale Alternativen entscheiden. So gibt es auch vereinzelte Betriebe, die bereits heute viele Fertigungsschritte digitalisiert haben. «Grundsätzlich wäre eine fast hundertprozentige Digitalisierung möglich. In gewissen Teilbereichen, wie beispielsweise auf der Baustelle, sind mit der aktuellen Technik Papierpläne aber grösstenteils trotzdem noch im Vorteil», sagt Alex Ochsner, Geschäftsleiter der Swiss all CAD AG aus Gossau SG. Da die Digitalisierung praktisch alle Bereiche eines Unternehmens betrifft, gilt es neben den technischen Möglichkeiten und betrieblichen Gewohnheiten, bereits bei der Evaluation einer Software auf ein stimmiges Gesamtsetting zu achten.

Beachten, wen man sich ins Haus holt

So individuell wie die Schweizer Schreinereien und ihre Ausstattungen, so individuell sind auch die verschiedenen Software-Lösungen und Anbindungsmöglichkeiten. Neben dem Nutzen-Kosten-Verhältnis gilt es, darauf zu achten, dass die Software in der Branche und im DACH-Gebiet präsent ist und eingesetzt wird. «Bei unbekannten Insellösungen fehlen oftmals die nötigen Standards und die Branchenkenntnisse oder sie werden von den Maschinenherstellern nicht berücksichtigt», sagt Zehntner. Wichtig sind zudem die guten Anbindungsmöglichkeiten an die jeweils verwendete Branchensoftware und andere Programme, die im Betrieb genutzt werden. «Zentral ist hierbei das Zusammenspiel von reinen Produktionsunterlagen, wie Werkplänen oder Stücklisten, mit allen zusammenhängenden Prozessen, wie beispielsweise Informationen zu Bestellungen in der Materialwirtschaft, den nötigen Maschinendaten oder der Zeiterfassung», sagt Luca Föhn, COO bei der Borm-Informatik AG aus Schwyz. Ausserdem sollte immer darauf geachtet werden, dass das gewählte Produkt laufend weiterentwickelt wird und einen persönlichen Support bietet.

Individualität und Anpassungsfähigkeit

Welchen Lösungsweg man auch wählt, er sollte gut auf die Betriebssituation abgestimmt sein. So ist es zentral, dass alle Schnittstellen und Bereiche, die das jeweilige Digitalisierungsvorhaben betreffen, in die Planung mit einbezogen werden. «Dieser Prozess ist in jedem Betrieb und von Situation zu Situation verschieden», sagt Zehntner. So ist genau abzuklären, ob es um die Abstimmung von Avor und Werkstatt, von Avor und Baustelle oder von Avor und ERP geht. Neben den diversen Schnittstellen, welche die jeweils verwendeten Programme aufweisen müssen, damit sie zusammen funktionieren können, gilt es auch, die betroffenen Mitarbeiter abzuholen. «Bei der Implementierung sollten die Mitarbeiter möglichst früh mit einbezogen werden», sagt Föhn. So können sich diese einbringen und ihren persönlichen Arbeitsplatz sowie die Abläufe mitgestalten.

Wissenslücken beim Schreiner

Wie immer, wenn eine neue Technologie Einzug hält, gibt es Unsicherheiten und es eröffnen sich auch neue Fehlerquellen. Bei der Digitalisierung von Planungsunterlagen ist das sehr individuell. «Viele Schreiner sind sich der Möglichkeiten, welche die digitalen Abläufe bieten, noch nicht vollumfänglich bewusst», sagt Zehntner. Ziel muss sein, dass der Schreiner die Lösung findet, welche auf seinen individuellen Betrieb, seine Grösse, den Wissensstand seiner Mitarbeiter und seine Zielsetzung abgestimmt ist. Genau hier liegt noch viel Potenzial. «Dem Schreiner ist oft nicht klar, was es alles für eine komplette Durchgängigkeit benötigt und was das im Detail, beispielsweise für die Stammdaten, bedeutet», sagt Alex Ochsner. Deshalb ist eine individuell abgestimmte Beratung wichtig. Geht der Schreiner diesen Prozess offen und mit den richtigen Partnern an, minimiert sich auch die Fehleranfälligkeit. «Die Hauptmotivation für digitales Arbeiten ist es, weniger Fehler zu machen. Den grössten Fehler begeht man, wenn man auf die Digitalisierung verzichten will», sagt Zehntner.

Das Tablet als Drehscheibe

Oftmals sind in Handwerksbetrieben noch viele Unterlagen, wie Informationen zu den Aufträgen, Stücklisten oder Montage-Anleitung in Papierform, im Umlauf. Mit der «digitalen Auftragsmappe» bietet Homag eine App, welche diese Informationen in Echtzeit abbildet und so von überall her zugänglich macht. Die Web-App macht auch den aktuellen Stand einzelner Bauteile für alle Beteiligten transparent. So ist der Status der Aufträge immer einsehbar. Genutzt werden kann die Web-App von jedem, der einen Laptop oder ein Tablet mit Zugangsberechtigung hat. Auch Borm bietet mit «Borm Live» die Möglichkeit, von überall per Web-Zugriff in Echtzeit auf alle ERP- Daten Zugriff zu haben. «Die Entwicklung geht nun weiter in Richtung der Bereitstellung von interaktiven Produktionsdaten und wir spüren bereits den Trend, dass noch viel mehr mit Tablets in der Produktion oder auf der Baustelle gearbeitet wird», sagt Föhn.

Digitale Abläufe werden zum Standard

Die Umsetzung einer durchgängigen Planung basiert auf der 3D-Planung mit der entsprechenden Software. Darin werden alle im Betrieb benötigten Informationen erstellt und bereitgestellt. Die Zeichensoftware Interiorcad powered by Vectorworks, welche in der Schweiz von der Computerworks AG vertrieben wird, unterstützt mit den Cloud-Services die digitale Arbeitsweise auch unterwegs, wenn man keinen Zugriff auf eine fix installierte Arbeitsstation hat.

Auch die Software Imos, in der Schweiz vertreten durch die Homag Schweiz AG in Höri ZH, präsentierte in diesem Jahr den neuen Cloud-Service iX Scout, welcher den Datenzugriff sowie die eindeutige Identifikation von Bauteilen von der Werkstatt bis zur Montage auf der Baustelle ermöglicht. Der integrierte 3D-Viewer bildet Möbelkonstruktionen detailgetreu ab und bietet Funktionen wie das Zoomen, Selektieren oder Freistellen von einzelnen Teilen oder Baugruppen. Der integrierte QR-Scan identifiziert Einzelteile, so lassen sich die Bauteilzugehörigkeit sowie die Einbausituation exakt darstellen.

Es ist es heute also bereits möglich, aus der Planung in 3D eine Kundenvisualisierung, die Offerte und die Produktionsunterlagen per Knopfdruck abzuleiten. Auch bei der technischen Umsetzung auf der Baustelle kommen nun die ersten praktischen Lösungsansätze. «Wir haben den iX Scout jetzt bereits bei drei Betrieben in der Schweiz eingeführt und die ersten Rückmeldungen sind sehr positiv», sagt Thomas Buetikofer, zuständig für den Vertrieb von Imos in der Schweiz. Der Digitalisierungsgrad wird weiter zunehmen und es werden noch spannende Lösungsansätze für die Praxisumsetzung folgen. Die Fachleute sind sich einig, dass in fünf Jahren die durchgängi- ge, halbautomatisierte Produktion in der Schreinerbranche wohl zur Normalität gehören wird.

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